Die Rückkehr zur Normalität verstehen wir als Drohung
(0)Dass die Ereignisse und Maßnahmen bezüglich der Eindämmung der Coronavirus Pandemie ein institutionell nicht gefördertes Veranstaltungshaus wie das Café hausZwei sofort in eine existentielle ökonomische Bedrängnis bringt, lässt sich schnell verstehen. Hier geht es uns nicht anders , als all jenen, die sich schon seit Jahren irgendwie prekär auf dem "Markt" halten oder mit Niedriglohn irgendwie versuchen halbwegs durchs Leben zu schlittern. Viele werden weiter Richtung Armut rutschen und einige Nischen des Möglichen wird es `nach Corona´ schlicht nicht mehr geben. Hier ist wenig Überraschendes für das Bewusstsein an Erkenntnis zu holen und es wäre jetzt auch kleinlich in den Chor der Lamentationen einzustimmen, die sich anzuhören wir aber empfehlen - und sofern möglich selbstverständlich mit Solidarität zu begegnen. Solidarität ist linke Praxis und keine Besonderheit, die hervorgehoben werden muss. Sie ist und bleibt eine Zärtlichkeit gegen das Grobe und Falsche.
(1) Stattdessen wollen wir diesen Platz nutzen einen Gedanken zu skizzieren und zu teilen, der in unseren Diskussionen Raum einnimmt und sich zu einer gewissen Parole entwickelt hat. Bereits kurz nach der sogenannten Kontaktsperre´ und demShutdown´, bereits kurz nachdem fast alle den fehlerhaften und vor allem zu verachtenden Begriff des social distancing´ übernommen hatten, stand bereits eine Phrase im medialen Umfeld, die wir melancholisch sofort als Drohung begriffen, da sie doch ein Ausdruck unserer groben Prognose ist , dass sich nach Corona wenig bis nichts verändert haben wird. Gemeint ist jene Phrase der Rückkehr zur Normalität´ . Der Normalität der kapitalistischen Produktionsweise also, der Lebensweise in Konkurrenz, dem Gefängnis der Lohnarbeit, der Normalität in Moria und den tausenden Toten im Mittelmeer, die Normalität der scheiternden lustlosen zwischenmenschlichen Beziehungen, die Normalität des blöden Konsums, schließlich dem kalten und einsamen Sterben in einem Altersheim am Lebensabend, kurz vielleicht: Der Zurichtung der Welt zu einem hässlichen Ort. Im selben Augenblick, noch bevor man zur Besinnung kommen durfte, schallerte auch schon die Aufforderung durch die Luft sich `kreativ´ in diesen Zeiten zu zeigen, irgendetwas mitzumachen, irgendeinen Quatsch aus Wohnzimmern zu senden, irgendwie effizient zu sein. Wir zeigten uns eher ratlos und auf Wände streichen hatten wir auch keine Lust. Eine Teilnahme an derartigen Aktionen schien uns genauso ausgeschlossen, wie der Rückzug ins Private. Seitdem flattert auf unseren imaginären Bannern die Parole: „Keine Rückkehr zur Normalität" denn diese ist eine Drohung oder positiver ausgedrückt: Einen Aufbruch Richtung Vernunft, halten wir für sinnvoller.
(2) Theorie und Praxis? Was tun, in der Einsicht einer ohnmächtigen Position und unter Druck des ökonomischen Zwanges? Inhaltlich wollen wir das Angebot unterbreiten, in der kommenden Zeit die zu lange vernachlässigte Diskussion um die Kritik der Bedürfnisse´ wieder aufnehmen. Diese soll nicht verwechselt werden mit der Diskussion, die derkritische Konsument´ zur eigenen Beruhigung innerhalb und für das Bestehende mit einer Tasse fair- trade Kaffee führt, oft moralisch und gegen die ökonomisch Schwachen. Es geht vielmehr um einen Umriss von Bedürfnissen, die eher aus der Verneinung des Bestehenden erwachsen und die sich der Integration verweigern, sich der Ideologie des Sachzwangs entziehen und damit in gesellschaftlicher Opposition stehen bzw. stehen könnten. Anders ausgedrückt: es geht um Freude, Glück, Liebe, Lust, Schönheit, Erkennen, die Verminderung von Leid, menschliche Beziehungen, Sternenflüge, morgens länger kuscheln, ein Leben mit sinnvollen Tätigkeiten, vernünftig eingerichtete Verhältnisse… Oder auch: Es geht nicht allein darum einen höheren Lohn z.B. für das Pflegepersonal zu ermöglichen, sondern auch darum die Vorstellung nicht aufzugeben, ein Gesundheitssystem zu fordern, dass der Verwertungslogik entrissen ist. Es ist ein Diskussion ums Ganze.
(3) Und eben praktisch bleiben. Wir verstehen das Café hausZwei als ein möglich zu bespielendes und durchaus vielseitiges Produktionsmittel , dessen produktive Kraft zwar nicht die Verhältnisse sprengen wird, aber eben doch zu jenen Werken der Praxis gehört, die sich bemühen eher am "Richtigeren im Falschen" entlang zu schlittern und damit irgendwie im „Handgemenge mit der Wirklichkeit bleiben" (peter brückner) . Wir sind nicht illusorisch, der ökonomische Zwang besteht, diesem ist nicht zu entkommen. Es ist eben Arbeit, viel Nervendes dabei. Dennoch und dadurch lässt sich das Café hausZwei als ein Ort organisieren, der sich zumindest hin und wieder - ob als Feierort oder Debattenhaus- der Normalität verweigert, anders gestaltet, Raum für kritische Aufklärung schafft, zuverlässig bleibt und seine Irrelevanz gegenüber dem Bestehenden , als Kompliment empfindet. Dafür entsteht manchmal eine Brise Schönheit, eine überraschende Begegnung oder ein Gedanke, der eine neue Welt öffnet. Lasst uns diesen Ort (wie auch andere) gemeinsam gestalten - gegen den Stumpfsinn, der uns umgibt.
Kommt vorbei,
haltet zusammen,
Café hausZwei | Libertalia e.V.
april 2020