Angst vor deutschen Kleinstädten 2.0 introduced #2: T.R.A.F.O.
T.R.A.F.O. - Alter Anarcho-Adel
Das erste, das ich über T.R.A.F.O. gehört habe ist, dass sie die Band sind, „die aus Potsdam kommt". Vielleicht, denke ich, gibt es gar nicht so viele Bands in Potsdam? Vielleicht sind sie aber auch eine dieser Bands, die mehr als andere für eine bestimmte Zeit in einem bestimmten Umfeld stehen. Ich suche nach weiteren Informationen. Eine Riesenauswahl an aktuellen hochgelikten Soundcloud-Tracks --- ist erst mal nicht zur Hand. Ein paar Session-Schnippsel. Ein Live-Mitschnitt. So alle halbe Jahre. Mehr und mehr scheint mir, dass T.R.A.F.O. auf derlei möglicherweise gar nicht so viel Wert legen: kein hyperaktives Tracks-raushauen-for-the-fame. Stattdessen viel zurückgelehnter Fokus auf das Wesentliche. Eben, gezielte (nicht-)Information, in genau der Ruhe, mit der alter Adel regiert.
T.R.A.F.O. selbst, stellen sich als „Elektro-Senioren" --- und ich mir Menschen um die 40 vor. Aber ohne Bärte. Dafür mit markanten Gesichtern, gezeichnet vom Leben in den Kleinstädten und Parallelwelten Kaltlands. Ich stelle mir ausgeblichene Tattoos vor, die irgendwie an Henry Rollins' „Get In The Van" und „Black Flag" erinnern. Viel Nebel, viel Rauch und der Geruch gerade durchbrennender Schaltkreise. Stimmen wird von diesen Fantasien, wie meistens, vermutlich wenig. Bis auf einen Punkt: T.R.A.F.O. kehren für die Angst vor deutschen Kleinstädten 2.0 zurück zu ihren Wurzeln, nach Potsdam. Und T.RA.F.O. stehen in der Tat für einen bestimmten Ort und eine bestimmten Zeit. Allerdings nicht für gestern und in einem Land vor unserer Zeit – sondern für heute, hier, und jetzt.
T.R.A.F.O.s Sound ist elektrisierend elektronisch. Und geht tief unter die Haut. Wie eine eiskalte Stahlnadel, die sich langsam in dein Gewebe schiebt. Komisch ist: noch während das geschieht, merkst du, dass du genau das willst. Später, mitten in hypnotisch frösteligen Klangräumen kristallisiert sich deine anfängliche Ahnung zur Gewissheit. In Form einer Injektion verwirrend schöner Klänge, die schwindelig machen. Diese Reise in fremdelnde Klangwelten macht ohne Zweifel süchtig. Und sie bringt ganz sicher mehr Gegenwart mit sich, als so manches Krawall-into-the-face-Gerumpel.
Visuell werden T.R.A.F.O. bei der „Angst vor deutschen Kleinstädten" von VELVETVANE unterstützt. Und ja, auch das ist durchaus besorgniserregend. Schließlich wird fraglich, ob wir von diesem Trip überhaupt jemals zurückkehren werden. Oder überhaupt zurückkehren wollen werden. Oder überhaupt noch irgendwas anderes wollen werden. Diese Cyborg-Disco darf einfach nie zu Ende gehen.
REINHÖREN:
https://soundcloud.com/trafosavedmylife
Angst vor deutschen Kleinstädten 2.0, 16.12.17, Spartacus Potsdam